Unheilige Allianz


Das neue Buch von David A. Yallop
David A. Yallop, 62, ist der bekannteste Enthüllungsautor Englands. Sein Bestseller «Im Namen Gottes?» (1984), in dem er den mysteriösen Tod des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. untersuchte, verkaufte sich über sechs Millionen Mal und wurde in beinahe 40 Sprachen übersetzt. Bevor der gebürtige Londoner zum Journalismus kam, arbeitete er unter anderem auf dem Bau und als Lexikonvertreter. «Das war meine Form von Universitätsstudium», sagt er heute.

Korruption in der Fifa
Ende der Sechzigerjahre ging Yallop zum Fernsehen. Er wurde Studioleiter und schrieb gleichzeitig TV-Komödien, darunter auch Texte für die Komikertruppe Monty Python. Er hat zahlreiche Sachbücher verfasst, etwa den Bestseller «Die Verschwörung der Lügner» über den Terroristen Carlos. Der Verkauf seines Buches über Korruption in der Fifa («Wie das Spiel verlorenging», 1998) wurde in der Schweiz von Fifa-Präsident Joseph Blatter gestoppt.

Drogen und Geheimdienst
Diese Woche wurde Yallops Tatsachenroman "Unheilige Allianz" (KiWi) veröffentlicht, ein Thriller über Drogenkartelle, Geheimdienste und den US-Präsidenten.
Yallop ist zum zweitenmal verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er lebt in der Nähe von London in einem alten Landhaus.



"Die Infiltration reicht bis zu Bill Clinton"

Enthüllungsautor David A. Yallop über Drogenbarone, Politiker und Geheimdienste

von Balz Spörri (Text)


SonntagsZeitung: David Yallop, Sie gelten als einer der besten Enthüllungsjournalisten und wurden mit Sachbüchern wie «Im Namen Gottes?» berühmt. Jetzt haben Sie mit «Unheilige Allianz» erstmals einen Roman verfasst. Weshalb?

David Yallop: Es gibt verschiedene Gründe dafür. Ich begann eigentlich mit Recherchen für ein Sachbuch über die Drogenkartelle. Doch mit der Zeit wurde mir bewusst, dass ich es mit einer ungewöhnlichen Bedrohung zu tun hatte. Auch bei früheren Büchern musste ich mit Mordanschlägen rechnen, etwa bei «Im Namen Gottes?» oder dem Buch über den Terroristen Carlos. Doch in der Welt der Drogen kommt ein Element hinzu: Hier wird nicht nur aus Geschäftsgründen getötet, sondern es gibt eine Lust am Töten. Geld spielt keine Rolle. In Kolumbien töten Killer für 25 Pfund. Viele Leute, die mir bei den Recherchen halfen, rieten mir, meine Erkenntnisse nicht als Sachbuch, sondern als Roman zu veröffentlichen. Sie meinten, so hätte ich bessere Chancen, das Buch fertigzustellen.

War das der einzige Grund?

Nein, ich wollte schon lange einen Roman schreiben. Noch wichtiger ist aber, dass Drogen heute das größte Problem überhaupt darstellen. Wenn ich die Leute darauf aufmerksam machen will, muss ich ein Buch schreiben, das sie auch lesen. Politisch weniger interessierte Leute werden das Buch lesen, weil es ein Thriller ist. Doch zugleich können sie alle Informationen aufnehmen, die ich recherchiert habe.

Gab es während der Recherchen Versuche, Sie zu töten?

Ich spreche eigentlich nicht darüber. Aber es gab Versuche. Ich erzähle Ihnen ein Beispiel, das auch im Buch vorkommt und zeigt, wie viel im Buch eher Fakt als Fiktion ist. Der Held meines Buches erfährt, dass ein Freund von ihm in Venezuela verhaftet worden ist. Dieser Freund berät die venezolanische Regierung bei der Drogenbekämpfung. Doch die Regierung selbst ist korrupt. Um zu verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt, soll dieser Freund im Gefängnis ermordet werden. Mein Romanheld fliegt sofort nach Venezuela, gibt Pressekonferenzen, macht einen riesigen Aufruhr, um zu verhindern, dass sein Freund ermordet wird. Während er dort ist, versucht man seinen Freund umzubringen, doch die Killer täuschen sich in der Zelle. Nach einigen Tagen wird der Held ausgewiesen, doch es ist ihm gelungen, seinen Freund am Leben zu erhalten. Einen Monat später wird er freigelassen. Diese Geschichte ist völlig wahr. Ich selbst war der Mann, der nach Venezuela ging.

Und was geschah in Wirklichkeit?

Ich wurde festgenommen und auf eine Polizeistation gebracht. Dort konnte ich mithören, wie die Polizisten darüber diskutierten, ob sie mich ins gleiche Gefängnis bringen sollten wie meinen Freund, um dort «das Problem zu lösen». Zum Glück intervenierte jemand, und ich wurde freigelassen. Vermutlich dachten sie, es wäre etwas zu viel, wenn ein bekannter britischer Autor im Gefängnis getötet würde. Anderseits hätten sie mich auch "selbstermorden" können.

Wie bitte?

Ich habe das Wort erfunden. Man hätte mich in meiner Zelle in Frauenkleidern erhängt auffinden können. Ein alter Trick, um einen Mord so aussehen zu lassen, als ob jemand einer Art von autoerotischem Akt zum Opfer fiel.

Sie behaupten in «Unheilige Allianz», dass der nächste oder übernächste Präsident der USA ein Mann der internationalen Drogenkartelle sein wird. Wie weit haben die Kartelle schon heute die amerikanische Politik infiltriert?

Die Infiltration reicht hinauf bis zum aktuellen Präsidenten. Bill Clinton erhielt 1992 für seine Präsidentschaftskampagne Drogengelder gespendet. 1996 bekam er weitere Drogengelder. Einer der Leute, die Clinton Geld gaben, war Orlando Castro. Castro ist der Mann, der dafür verantwortlich war, dass mein Freund in Venezuela verhaftet wurde. Er war ein Partner des kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar. Ich habe ein Foto, das Castro zusammen mit Clinton zeigt, als dieser ihn ins Weiße Haus einlud. Castro finanzierte damals ein Magazin mit dem Titel «Money Laundry Alert», ein Spezialmagazin, das vor allem von Drogenfahndern und Staatsanwälten gelesen wird. Es warnt vor Möglichkeiten, wie die Kartelle ihr Geld waschen können. Castro gab sich also als «good guy» aus. Tatsache ist aber, dass er einer der «bad guys» war. Doch wegen dieses Magazins tauschten Amtsstellen wie die US-Drogenbehörde DEA mit diesem Mann Informationen aus. Dabei war er Teil des Drogenkartells - ein brillantes Stück Infiltration.

Wie ging die Geschichte weiter?

Nachdem Castro Clinton getroffen hatte, verlangten er und sein Anwalt, Charles Intriago, der gleichzeitig Herausgeber von «Money Laundry Alert» war, Einsicht in die Unterlagen der DEA-Informanten innerhalb der Drogenkartelle. Sie bekamen sie, was für die Informanten das Todesurteil bedeutete. Die Beweise, die ich gesammelt habe, sind überwältigend. Castro wurde später verhaftet und in Florida wegen Geldwäscherei ins Gefängnis gesteckt. Er soll demnächst nach Venezuela abgeschoben werden.

Mit welcher Absicht spenden Drogenkartelle Geld für amerikanische Präsidentschafts-kandidaten?

Zunächst einmal können sie auf diese Weise Geld waschen. Und sobald man Geld einsetzt, um einem Mann dabei zu helfen, amerikanischer Präsident zu werden, erhält man Zugang zur Macht. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob der Kandidat weiß, woher das Geld stammt. In meinem Buch weiß er es nicht. Wenn der Kandidat die Geldgeber als Freunde betrachtet, verfügen sie ohnehin über Zugang. Wenn er aber eine Politik durchsetzen will, die ihnen nicht passt, spielen sie ihren Trumpf aus. Die Drogenkartelle fürchten nicht, dass der US-Präsident die Drogen bekämpft. Sie fürchten, dass er sie legalisiert. Denn sie wissen genau, dass dies ihre ganze Industrie zerstören würde.

Der Punkt ist doch, inwiefern ein Politiker erpressbar wird.

Sicher. Nehmen wir als Beispiel John F. Kennedy, der für meine Generation ein Idol war. Er schien sauberer als sauber zu sein. Heute wissen wir, dass Kennedy von seinem eigenen FBI-Chef, J. Edgar Hoover, einem äußerst merkwürdigen Menschen, wegen seiner Affären erpresst wurde. Und das ist nur ein Beispiel.

Wie weit ist die Wirtschaft infiltriert? Die Schweizer Bundesanwältin Carla Del Ponte hat kürzlich gesagt, in der Schweiz seien rund 300 Firmen von der Mafia unterwandert. Wie beurteilen Sie das?

Ich glaube, das ist eine konservative Schätzung. Ich weiß beispielsweise, dass mindestens sechs angesehene Londoner Anwaltskanzleien in Geldwäscherei verwickelt sind. Den Kartellen gehört heute ein Teil des Kanal-Tunnels, sie besitzen große Hotelkomplexe, Teile der Schweiz, Deutschlands, Frankreichs, Italiens. Es ist heute kaum mehr festzustellen, was in der Welt wem gehört.

Ist Adam Fraser, der Held Ihres Buches, ein Alter ego von David Yallop?

Ich wusste, dass Sie mich das fragen würden. (lacht) Fraser ist eine Mischung aus zwei oder drei Personen. Die Geschichte in Venezuela habe ich selbst erlebt. Viel mehr steckt aber von David Munro, einem meiner engsten Freunde, in der Figur. Munro, einer der besten TV-Dokumentarfilmer, starb vor zwei Wochen, deshalb kann ich Ihnen das Ganze jetzt erzählen, auch wenn ich dies als Romanautor eigentlich nicht tun sollte. Doch David würde es mir nicht übel nehmen. Natürlich stimmt nicht alles mit dem realen Leben überein. Ich erinnere mich, dass ich mich bei David für die Sexszenen entschuldigen musste.

Weshalb?

Ich schrieb die Szenen ursprünglich mit sehr viel Humor. Doch der Verlag wollte sie viel klinischer haben. Nachdem ich das getan hatte, beruhigte ich David: «Schau, diese Szenen basieren weder auf deinem Leben noch auf meinem.» (lacht)

Bei der Lektüre von «Unheilige Allianz» fragt man sich ständig, welche Personen frei erfunden sind und welche nicht. Wie stehts mit der Figur des amerikanischen Unternehmensberaters Andrew Sinclair, der die Drogenbarone berät?

Gute Frage. Auch Sinclair ist eine Mischung aus verschiedenen «echten» Personen. Die Drogenkartelle von Medellin und Cali haben eine übergeordnete Struktur, die ich im Buch «Kartell der Kartelle» nenne. Dieses Kartell hat einen absoluten Businessapproach zum Drogengeschäft. Um nicht aufzufallen, wird das mittlere Kader angewiesen, keine Armani-Anzüge zu tragen oder protzige Wagen zu fahren. Das geht alles auf Beratungsfirmen zurück. Große Namen. Ich hab das nicht erfunden. Vieles von dem, was in der Figur von Andrew Sinclair steckt, wurde mir von Angestellten des amerikanischen Zolls, von Finanzbeamten und Drogenbehörden mitgeteilt. Wenn man, wie die Drogenkartelle, das Problem hat, 500 Billionen Dollar jährlich investieren zu müssen, wendet man sich an Profis. Das ist doch klar. Und diese Profis wissen, woher das Geld kommt!

Sie schreiben, dass 70 Prozent aller Verbrechen eliminiert werden könnten, wenn die Regierungen Drogen wie Kokain, Marihuana oder Heroin legalisieren würden. Weshalb tun sie das nicht?

Ein Element in unserer Gesellschaft, das ganz sicher keine Legalisierung will, sind die Geheimdienste, insbesondere der CIA, der MI6 oder der Mossad. Drogen verhelfen ihnen zu einem Geldtopf, mit dem sie machen können, was immer ihre politischen Herren möchten. Sie können die exotischsten Dinge finanzieren, ohne auf offizielle Staatsgelder zurückgreifen zu müssen.

Das kann nicht der einzige Grund sein.

Der zweite Grund ist, dass eine Legalisierung enorm viele Leute arbeitslos machen würde. Die ganze Polizeiinfrastruktur, die Zollbeamten, sie alle sind daran interessiert, dass jedes Jahr mehr Rauschgift abgefangen wird. Denn das bedeutet eine Budgeterhöhung. So funktioniert das System. Ich weiß nicht, ob eine Legalisierung die Antwort auf alle Probleme wäre. Ich weiß nur, dass man es nie genau untersucht hat. Eine Entkriminalisierung wäre zumindest ein erster Schritt.

Ihr Buch vermittelt den Eindruck, dass die Geheimdienste, aber auch die Drogenkartelle mittels Supercomputern und Abhörsystemen wie Echelon beinahe jedes Gespräch auf dieser Erde mithören können. Wie schlimm steht es wirklich?

Die elektronische Überwachung auf dem Boden ist total. In Harrogate in Yorkshire wird seit ungefähr 1960 jedes transatlantische Telefongespräch von einem Computer überwacht. Sobald Worte wie «Mafia», «Schnee» oder "Wäscherei" fallen, wird ein Operator alarmiert, der das Gespräch mithört. Ähnliche Vorrichtungen gibts auch in der Schweiz oder in Deutschland. Doch auch die Kartelle verfügen über ausgezeichnete Einrichtungen. Der Supercomputer El Gordo, den ich im Buch beschreibe, existiert. Ich habe Abschriften von Gesprächen gesehen, die von US-Botschaften aus mit dem Weißen Haus geführt wurden. Darauf sind die Kartelle sehr stolz.

In Ihren Büchern schreiben Sie stets über Korruption, Terrorismus und Mordfälle. Weshalb immer diese düsteren Themen?

Es hat mit der Frage zu tun, warum wir überhaupt auf dieser Erde sind. Ich glaube, dass es unsere Pflicht ist, diesen Platz in einem besseren Zustand zu verlassen, als wir ihn angetroffen haben. Ich bin davon überzeugt, das wir die Lebensqualität der Menschen nur verbessern können, wenn wir gut informiert sind. Der Grund dafür, die Schattenseiten unserer Gesellschaft anzuschauen, ist also der Versuch, die Welt etwas aufzuhellen.

In Ihrem Büro hängt ein Bild von Don Quijote.

Ja, ich werde immer wieder mit ihm verglichen.

Sie sind aber erfolgreicher.

Zumindest glaube ich, dass meine Riesen wirklich existieren und keine Windmühlen sind (schmunzelt). Man sagt, der beste Trick des Teufels bestand darin, die Leute davon zu überzeugen, dass er gar nicht existiert. Ich weiß nicht, ob es den Teufel gibt. Doch ich wurde in meinem Leben oft mit dem Bösen konfrontiert. Ich sah es. Es existiert. Ich wurde katholisch erzogen und sehe es als meine Pflicht an, das Böse zu bekämpfen, wo ich es erkenne. Und die Wahrheit zu unterdrücken, ist für mich etwas Böses. Natürlich ist es auch ein Akt von Arroganz zu meinen, dass es die Leute interessiert, was ich hier in meine Schreibmaschine tippe. Viel lieber sehe ich es aber als Akt von Optimismus: Ich glaube, die Menschen sind von Natur aus anständig.

Aber die Anständigen verlieren dauernd.

Nein, das glaube ich nicht. Ich versuche jedenfalls sicherzustellen, dass sie etwas häufiger gewinnen. Und je mehr Informationen man den Leuten gibt, desto besser.

Der Verkauf Ihres letzten Buches, in dem Sie die Korruption in der Fifa anprangerten, wurde letztes Jahr in der Schweiz wegen persönlichkeitsverletzender Passagen von Fifa-Präsident Joseph Blatter gerichtlich gestoppt. Wie ist der Stand heute?

Der Fall ist noch immer hängig. Ich habe erst kürzlich den Anwälten Blatters geschrieben, um zu versuchen, den Fall beizulegen. Ich habe aber noch nichts von ihm gehört. Er hat den Fall wieder reaktiviert, und ich glaube, er will auch in Österreich gegen mich vorgehen. Aber er ist sehr wählerisch, wo er gegen mich vorgeht. Er unternahm nichts in England, Japan oder Brasilien. Er verlor in Holland. Wenn man von einem WM-Spiel "Yallop gegen Blatter" sprechen würde, wäre der Halbzeitstand im schlimmsten Fall ausgeglichen. (lacht)

Eigentlich ist es ein Buch über den langjährigen Fifa-Präsidenten João Havelange. Wie hat er reagiert?

Überhaupt nicht. Kein Brief, nichts. Das Buch wurde mit Absicht zuerst in Brasilien veröffentlicht, doch Herr Havelange verhielt sich sehr ruhig. Er hat sich höchstens geäußert, wenn ihn Journalisten direkt auf das Buch ansprachen. So meinte er zum Beispiel, ich hätte das Buch bloß geschrieben, weil er bei seiner Wahl zum Fifa-Präsidenten 1974 einen Engländer geschlagen hat. Er hat aber nichts abgestritten, was im Buch steht. Und er unternahm auch keinen Versuch, das Buch zu stoppen.

Wie geht es mit dem Fall weiter?

Herr Blatter hat kategorisch festgehalten, dass er nichts mit irgendwelchen zweifelhaften Versuchen zu tun hatte, die Wahl in Paris zu beeinflussen, und dass er nichts von dem wusste, was im Vorfeld seiner Wahl vor sich ging. Ich akzeptiere das. Deshalb habe ich die englische Version modifiziert. Aber das heißt nicht, dass es keine Korruption gab. Ich habe keine Zweifel, dass zwanzig Stimmen gekauft wurden. Ich kenne acht der Länder und werde bald auch die übrigen zwölf kennen. Das sind Fakten, die man nicht einfach vom Tisch wischen kann.

Sie sind gewissermaßen Spezialist in Verschwörungsfragen. Denken Sie, dass der Tod von Lady Diana ebenfalls auf eine Verschwörung zurückgeht?

Ich könnte diese Frage besser beantworten, wenn man das weiße Auto finden würde, das sich beim Unfall im Tunnel befand. Die Unfähigkeit der französischen Untersuchungsbehörden, dieses Auto ausfindig zu machen, lässt ein Fragezeichen stehen. Die Frage ist: Wer profitierte vom Tod Dianas? Viele Leute dachten, dass ihr Tod von Vorteil wäre. Die Möglichkeit, dass der künftige englische König einen arabischen Stiefvater haben könnte, ist den Schweizern wahrscheinlich egal. Hier in England ist das eine wichtige Angelegenheit. Englische Geheimdienste haben Leute schon aus viel nichtigeren Gründen getötet. Ich sage nicht, dass sie es in diesem Fall getan haben. Ich sage nur, wir kennen nicht die ganze Wahrheit über Dianas Tod.

In Ihrem Bestseller «Im Namen Gottes?» dokumentieren Sie, dass Papst Johannes Paul I. vermutlich ermordet worden ist. Das Buch erschien 1984. Haben Sie seither neue Erkenntnisse gewonnen?

Ja, ich habe verschiedene weitere Beweise für den Mord gefunden. Ich habe keine Zweifel, dass Albino Luciani ermordet wurde. Die Vertuschungsversuche des Vatikans wurden inzwischen bestätigt. Und ich bin felsenfest überzeugt, dass Licio Gelli, der noch immer lebt, der führende Kopf hinter der Verschwörung zur Ermordung des Papstes war. Doch es wird wohl nochmals hundert Jahre dauern, bis der Vatikan erklären wird: "Der Papst wurde tatsächlich ermordet, und die Geheimloge P2 war dafür verantwortlich."

1984 äußerten Sie sich sehr kritisch über den heutigen Papst Johannes Paul II. Haben Sie Ihre Meinung geändert?

Im Gegenteil. Ich glaube, Johannes Paul II. war ein völliges Desaster. Nicht nur für die katholische Kirche, sondern für die Menschheit überhaupt. Ich kann niemanden verstehen, der heute noch gegen Geburtenkontrolle ist. Die Überbevölkerung ist eines der größten Probleme dieses Planeten. Es ist mir unverständlich, dass ein Mann wie er, der die Armut und Kindersterblichkeit mit eigenen Augen gesehen hat, nicht eine andere Position einnimmt.

Das enorme Wissen, das Sie bei Ihren Recherchen zusammengetragen haben, müsste für jeden Geheimdienst dieser Erde von Interesse sein.

Man könnte das annehmen, ja. Doch meine Erfahrung ist anders. In den Achtzigerjahren interviewte ich Libyens Staatschef Moamar al-Kathafi und den Palästinenserführer Abu Nidal. Dabei realisierte ich, dass ein Plan bestand, innerhalb der folgenden Wochen einen Anschlag auf ein größeres amerikanisches Objekt in Europa durchzuführen, wahrscheinlich auf eine Botschaft oder ein Flugzeug. Ich war so überzeugt, dass diese Attacke stattfinden würde, dass ich über einen Mittelsmann Kontakt mit dem britischen Geheimdienst MI6 aufnahm. An einem Meeting teilte ich ihnen alles mit, was ich von Abu Nidal gehört hatte. Zwei Wochen nach diesem Treffen explodierte Pan Am 103 über dem schottischen Lockerbie. Später konnte ich nachweisen, dass man durchaus von mir Notiz genommen hatte - man hatte nämlich alle CIA-Leute, Botschaftsangestellten und VIPs von diesem Flug genommen.

Das klingt unglaublich.

Ja. Später fand ich sogar heraus, dass in der gleichen Woche, in der ich mit dem MI6 gesprochen hatte, jemand aus Helsinki wahrscheinlich dem amerikanischen Geheimdienst mitgeteilt hatte, dass Pan Am 103, die am 21. Dezember 1988 von Heathrow abflog, zerstört werden sollte. Ich gab ihnen den Hinweis, wer hinter dem Anschlag steckte, denn ich kannte die betreffende syrische Gruppierung. Die Person aus Helsinki kannte das Ziel des Anschlags. Hätte man alle Informationen zusammengesetzt, hätte man die Tragödie von Lockerbie verhindern und alle beteiligten Personen verhaften können. Doch man ließ es geschehen.

Weshalb?

Ich weiß es nicht. Aber es ist unverzeihlich.

Sie haben zahlreiche Persönlichkeiten der Weltgeschichte interviewt, unter anderen Kathafi, Arafat oder Saddam Hussein. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?

Schwer zu sagen. Wenn Sie mich nach einer Persönlichkeit fragen, über die ich geschrieben habe, ist es einfacher: Papst Johannes Paul I. Er war schon tot, als ich mit meinen Nachforschungen begann. Doch Albino Luciani war ein bemerkenswerter Mensch, ein Sinnbild für Demut, für mich beinahe ein Heiliger. Während der Konklave kniete er nieder und betete, dass er nicht zum Papst gewählt würde. Enorm beeindruckt hat mich auch Pelé. Obwohl er einer der bekanntesten lebenden Mensch ist, blieb er ganz bescheiden, einfach und charmant. Ebenfalls einen großen Eindruck auf mich gemacht hat der frühere österreichische Kanzler Bruno Kreisky. Ihm gelang es fast im Alleingang, Österreich von den Russen zurückzubekommen. Das ist eine unglaubliche Leistung.

Recherchieren Sie schon für das nächste Buch?

Ja, aber ich kann darüber nicht sprechen. Aus einem einfachen Grund: Es wäre zu gefährlich für mich.



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